Kinderkrebs ist kein schönes Thema. Keines, über das man sich bei einem Small Talk oder in netter Runde unterhält. Und dennoch müssen wir dringend darüber reden!
In Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 2.200 Kinder und Jugendliche an Krebs. 2.200 Familien für die, ab dem Tag der Diagnose, nichts mehr ist, wie es war. 2.200 Familien für die eine Zeit voller Hoffen und Bangen, Entbehrungen, Rückschlägen, Verzweiflung und Erschöpfung beginnt. 2.200 Kinder die den schwersten Weg ihres, noch so jungen, Lebens vor sich haben.
Ca. 410 Kinder jährlich können diesen Weg nicht zu Ende gehen, da sie an ihrer Krebserkrankung versterben.
Kinderkrebs umfasst 60 verschiedene Tumorerkrankungen, deren Ursachen auch heute noch weitestgehend ungeklärt sind. Trotz großer Fortschritte in den letzten 5 Jahrzehnten, stirbt jedes 5. Kind an seiner Krebserkrankung und 8 von 10 Überlebenden haben schwerwiegende gesundheitliche Probleme oder Behinderungen.

Auf Grund der niedrigen Fallzahlen ist die Kinderkrebsforschung für die Pharmaindustrie nicht lukrativ genug, weshalb zur Behandlung Medikamente zum Einsatz kommen, die ursprünglich für Erwachsene entwickelt und zugelassen wurden. Problematisch hieran ist, dass Kinder nicht an den gleichen Tumorarten erkranken wie Erwachsene. Die Verwendung dieser Medikamente im pädiatrischen Bereich ist oftmals unzureichend untersucht, was schwerwiegende Folgen hat. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, viele leiden an schwersten Spät- und Langzeitfolgen. Für Kinder, die nicht auf die üblichen Therapien ansprechen oder die einen Krankheitsrückfall erleiden, reichen die vorhandenen Therapieoptionen nicht aus.
Ärzte und Forschende versuchen angesichts dieser eklatanten Lage sowohl die Heilungschancen der Kinder und Jugendlichen zu verbessern als auch die Toxizität der Behandlungen zu verringern. Essenzielle Bausteine sind hier die Grundlagenforschung und die epidemiologische Forschung.
Um forschen zu können reicht aber leider nicht der gute Wille. Forschung kostet Geld. Die finanzielle Unterstützung staatlicher Seite ist viel zu gering, um effektiv und breit aufgestellt an pädiatrischen Krebsarten forschen zu können. Hinzu kommen teils enorme bürokratische und administrative Hürden, die es den Forschenden schwer machen. Die Pharmaindustrie hat, wie bereits erwähnt, kein großes Interesse an pädiatrisch onkologischer Forschung. Ein viel zu großer Teil der Forschung muss sich aus Spendengeldern und Drittmitteln finanzieren.
Dieser Umstand ist nicht akzeptabel.

Krebs ist die häufigste krankheitsbedingte und zweithäufigste Todesursache bei Kindern

Im Kindes- und Jugendalter sind Krebserkrankungen sehr selten. Die Wahrscheinlichkeit für ein neugeborenes Kind, innerhalb der ersten 18 Lebensjahre eine bösartige Erkrankung zu erleiden, beträgt 0,3 %.

Dennoch ist Krebs die am häufigsten auftretende tödliche Krankheit und (nach Unfällen) die zweithäufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den Industrieländern. In Deutschland sind jedes Jahr etwa 2.200 junge Menschen unter 18 Jahren davon betroffen. Dies entspricht einer jährlichen Inzidenz von etwa 170 Neuerkrankten pro 1 Million Kinder dieser Altersgruppe.

Quelle: Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen | Kinderkrebsinfo (gpoh.de)

Jedes 5. an Krebs erkrankte Kind stirbt innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose

Heute können ca. 80 % der Kinder und Jugendlichen, die eine Krebsdiagnose erhalten, geheilt werden. Dies ist der Forschung, der Verbesserung der Therapien und dem kontinuierlichen Fortschritt in der Grundlagen- und klinischen Forschung in den letzten Jahrzehnten zu verdanken. In den 60er Jahren lagen die Überlebensraten noch bei unter 20 %.

Dennoch gibt es auch heute noch Kinderkrebsarten die nicht heilbar sind. Ebenfalls schwierig wird es, wenn der Krebs nach intensiver Therapie zurückkehrt. Denn dann sind oftmals alle Möglichkeiten bereits ausgeschöpft und der Tumor ist gegen die bestehenden Therapien resistent.

Jedes Kind, das an Krebs stirbt, verliert im Schnitt 71 Jahre Lebenszeit

In Deutschland haben wir eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 Jahren.

Das Durchschnittsalter der Kinder, die an ihrer Krebserkrankung versterben, beträgt 9 Jahre.

Wenn Kinder sterben, stirbt nicht nur die Vergangenheit und die Gegenwart, sondern die Zukunft.

Es gibt noch immer Kinderkrebsarten mit einer Heilungschance von 0 %

Oftmals sind dies Tumore des zentralen Nervensystems. Die schlechtesten Prognosen haben ZNS Tumore, wenn sie sich an Stellen des Gehirns befinden die nicht oder nur teilweise operiert werden können (z.B. Hirnstamm, Zwischenhirn) oder, wenn sie eine bestimmte molekulare Eigenschaften aufweisen, sogenannte Mutationen.

8 von 10 Überlebenden haben im Alter von 45 Jahren Behinderungen oder lebensbedrohliche Gesundheitsprobleme

In Deutschland leben derzeit ca. 30.000 Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend an Krebs erkrankt waren.

Viele Überlebende einer Krebserkrankung im Kindes- oder Jugendalter leiden langfristig unter verschiedenen gesundheitlichen Problemen. Diese Spätfolgen oder Langzeitfolgen können einerseits durch die Krankheit selbst, andererseits aber auch durch die intensive Therapie verursacht werden, die für eine erfolgreiche Behandlung notwendig ist.

Hinzu kommen bei vielen Überlebenden Probleme damit, die Zeit der Erkrankung und Behandlung innerlich zu verarbeiten und sich später wieder als aktives Gesellschaftsmitglied in den Alltag einzugliedern.

Zu den körperlichen Langzeitfolgen nach einer Krebserkrankung gehören insbesondere Schädigungen gesunder Organe. Nahezu alle Organsysteme können von Spätfolgen betroffen sein: zum Beispiel Herz-Kreislaufsystem, Gehör, Lunge, Leber, Darm, Harnblase und Nieren, Geschlechtsorgane, Hormondrüsen, Nervensystem, Knochen und Muskulatur. Auch kann es zu einer weiteren Krebserkrankung, der so genannten „Zweitkrebserkrankung“ und, seltener, zu einem Krankheitsrückfall (Rezidiv) kommen.

So haben zum Beispiel ehemalige Patienten, die „nur“ eine Chemotherapie‎ erhalten haben oder die „nur“ operiert wurden, in der Regel mit anderen Spätfolgen zu rechnen als Kinder und Jugendliche, bei denen außerdem eine Strahlentherapie‎ durchgeführt wurde.

Darüber hinaus kommt es darauf an, welche Substanzen bei einer Chemotherapie verabreicht wurden und wie hoch die Dosierungen dabei waren. Bei einer Strahlentherapie spielt es eine Rolle, welche Körperregion bestrahlt wurde und wie intensiv die Bestrahlung war. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass bei jedem ehemaligen Patienten nach einer entsprechenden Behandlung Spätfolgen auftreten!

Über spezifische Organschädigungen hinaus leiden viele ehemalige Patienten auch an Müdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Oft fällt zudem die psychische Verarbeitung all der Erfahrungen mit der tödlichen Erkrankung schwer, und die Patienten leiden unter einem „Posttraumatischen Stress-Syndrom“ (PTSS), auch „Posttraumatische Belastungsstörung‎“ (PTBS oder engl. PTSD) genannt. Der Wiedereinstieg in das normale Leben, die Rückkehr in das alte soziale Umfeld oder die Suche nach einem geeigneten Ausbildungs- oder Arbeitsplatz kann aus diesen Gründen oft schwer fallen.

Quelle: Langzeitnachsorge bei Krebs im Kindes- und Jugendalter | Kinderkrebsinfo (gpoh.de)

Mögliche Langzeitfolgen einer Chemotherapie und/ oder Bestrahlung:

  • Unfruchtbarkeit
  • Wachstumsstörungen
  • Herzschäden
  • Entstehung einer zweiten Krebserkrankung (bei 3 bis 12 Prozent der Kinder, die ihre erste Krebserkrankung überleben)
  • Psychische und soziale Probleme
  • Entwicklungsstörungen und/oder neurologische Störungen

Viele Medikamente, die Krebskranke Kinder erhalten, wurden ursprünglich für Erwachsene entwickelt oder sind veraltet

Es fehlen Medikamente, die speziell auf Kinder zugeschnitten sind, denn bei ihnen sind die Bedingungen ganz andere als bei Erwachsenen. Zunächst spielt die Dosierung eine große Rolle, damit das Medikament optimal wirken kann. Ein Erwachsener mit einem Körpergewicht von 70 oder 80 Kilogramm benötigt eine ganz andere Dosis als ein Kleinkind von etwa zehn Kilogramm.

Gerade für Kinder ist es gefährlich, wenn der Krebs zurückkommt.

Auch andere Punkte müssen berücksichtigt werden. „Bei Kindern haben wir die Besonderheit, dass Kinder, Kleinkinder oder Säuglinge keine großen Tabletten schlucken können und oft auch nicht wollen“, weiß Witt. Pharmaunternehmen müssen also kinderspezifische Formulierungen und Zubereitungsarten entwickeln, damit die Kinder das Medikament einnehmen und die Inhaltsstoffe entsprechend wirken können. „Das ist sehr aufwändig und auch sehr teuer. Es betrifft schließlich nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung“, gibt Witt zu Bedenken. Oft gehe es bei der Entwicklung von Medikamenten für Kinder eben auch um praktische Details. 

Krebsmedikamente entwickeln die Pharmaunternehmen in erster Linie für Erwachsene, und diese Mittel können nicht eins zu eins bei Kindern eingesetzt werden. „Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass die Entwicklung von Medikamenten sehr wirtschaftlich getrieben ist“, sagt Witt. „Wir als Kinderonkologen müssen schauen, ob zielgerichtete Medikamente für Erwachsene bei Kindern die gleiche Wirkung haben. Von unserer Seite ist da sehr viel Forschung nötig, und letztendlich müssen die Pharmafirmen ein Interesse daran haben, Medikamente für die Kinderkrebsmedizin zu entwickeln“, erläutert Witt. „Das ist eine schwierige Situation.“

Quelle: Wenn bei Kindern der Krebs zurückkehrt | Wissen & Umwelt | DW | 04.10.2020

Derzeit befinden sich 1361 Wirkstoffe gegen Krebs für Erwachsene in der Entwicklung und lediglich 86 für Kinderkrebs

Während in der Krebsmedizin für Erwachsene momentan einige hundert klinische Studien laufen, sind es im Bereich der Kinderonkologie gerade mal 20. Gründe für diese geringe Zahl sind unter anderem hohe bürokratische Hürden und ethische Bedenken, Kinder klinischen Studien zu unterziehen, und auch hier spielen Entwicklungskosten eine Rolle. 

Nur etwa ein Prozent aller Krebskranken sind Kinder und Jugendliche. „Die Pharmafirmen können die Entwicklungskosten, die sie für ein Medikament aufbringen müssen, eher über die erwachsenen Patienten wieder reinholen als das mit speziellen Krebsmedikamenten für Kinder möglich ist“, so Witt.

Quelle: Wenn bei Kindern der Krebs zurückkehrt | Wissen & Umwelt | DW | 04.10.2020

Quelle: Fast 600 Medikamente für Kinder in Entwicklung – Pharma Fakten (pharma-fakten.de)

Quelle: Krebs: Über 1.300 Medikamente und Impfstoffe in Entwicklung – Pharma Fakten (pharma-fakten.de)